DER 24H LAUF TELEVIE SCHËTTER

24h – 130 Kilometer – 850 Euro Spenden gesammelt. Das ist das sichtbare „Endergebnis“ des 24h-Laufes Télévie in Schüttringen. Gesprochen wird oft nur über Zahlen und die Ergebnisse. Was steckt aber hinter diesen Zahlen und Leistungen?

 

Was denkt, empfindet und erlebt man während eines solchen 24h Laufes? 

 

Der Télévie Schëtter 24h Lauf war mein 4. Lauf dieser Art, der letzte 24h Lauf fand im Dezember 2022 statt und lag somit gerade einmal vier Monate zurück. Es handelte sich bei all meinen vergangenen 24h Läufen nicht um offizielle Rennen, sondern wir - der Ultraläufer Claude Stiefer und ich – organisierten diese Läufe auf eigene Faust und liefen dann "just for fun" zusammen. Das verbanden wir mit dem Sammeln von Spenden für diverse Organisationen. 

 

Ein 24h Lauf hat einen ganz anderen Charakter als (+)100km Trailläufe oder Etappenläufe. Das Ziel besteht darin, während 24h möglichst viele Runden (von ca. 3km) zu laufen und wenig Pausen zu machen. Bei unseren selbstorganisierten 24h Läufen kümmerten wir uns natürlich auch selbst um die Verpflegung, und so befanden sich das Essen, die Getränke und Klamotten in einem Wohnmobil auf einem Parkplatz, so dass wir jederzeit die Möglichkeit haben, unsere Flaschen aufzufüllen, etwas zu essen oder uns kurz auszuruhen. 

 

Und dies stellte bereits eine Herausforderung für mich dar. Zu wissen, dass ich mich jederzeit in einem warmen Camper hinlegen konnte, kostete immer wieder viel mentale Kraft, besonders während der Nacht bei zunehmender Müdigkeit und immer stärker sinkenden Temperaturen. Ich musste diesmal besonders viel mit meiner Müdigkeit und dem Schlafmangel kämpfen. Ich hatte eine sehr arbeitsintensive Woche und am Freitag begann mein Tag um 8 Uhr morgens. Gestartet sind wir am Freitag um 18h00, so dass ich bereits 10 Stunden auf den Beinen war. Ausruhen konnte ich mich also nicht wirklich vor dem Lauf. Mit uns am Start war Guy, ein weiterer Läufer, der die 24 Stunden gehen wollte. Claude und Guy ging es ähnlich wie mir, auch sie waren bereits den ganzen Tag auf den Beinen. Das störte uns nicht weiter, wir freuten uns alle auf den Start und auf den Lauf.

 

Wie aber fühlt es sich an, immer wieder die gleiche kurze Runde zu laufen? Vor allem nachts?

 

Im Gegensatz zu meinen gewöhnlichen Ultraläufen gab es hier keine abwechslungsreichen Landschaften und Aussichtspunkte. Ich versuchte, mich nur auf das Laufen selbst zu konzentrieren und das „um mich herum“ nicht als monoton wahrzunehmen. Dabei setzte ich mir bestimmte „Highlights“, wie beispielsweise die Kühe im Stall oder der Reiher, der die ganze Nacht im Wasser stand. Und Gespräche vertrieben die Zeit natürlich auch. Es war eine Mischung aus Ablenkung und Fokussieren. Ich konzentrierte mich nicht auf die noch verbleibenden Stunden, sondern auf den gegenwärtigen Moment und bewegte mich einfach immer weiter. Aber es wäre zu einfach, wenn das während 24 Stunden auch immer gelingen würde. Je länger der Lauf, desto mehr „Up and downs“ erlebte ich. Die Kunst bestand darin, diese „downs“ als nur vorübergehend zu betrachten und mich nicht darin zu verlieren. Und natürlich genoß ich die „ups“ und erfreute mich einfach an den Momenten.

 

Im Dezember 2022 sind wir die 24 Stunden bei -13 Grad gelaufen, was unsere Körper an gewisse Grenzen brachte. Diesmal war es nicht so kalt, aber wir hatten direkt nach der ersten Runde heftige Regenschauer und ein Donnerwetter, so dass wir bereits zu Beginn nass waren. In der Nacht kühlte es dann auf 3 Grad ab und die Luft war sehr feucht. Auch das wirkte sich auf die Leistung aus, denn wenn die Müdigkeit zunimmt, dann steigt auch das Kälteempfinden. Und dann ist die Versuchung natürlich groß, sich in den warmen Camper zu begeben. Claude und ich sind trotz der Kälte und Müdigkeit die ganze Nacht durchgelaufen, wir machten einmal eine Pause von 20 Minuten. Um 6 Uhr morgens beschlossen wir, sitzend einen „Powernap“ von 10 Minuten zu machen. Allerdings sind wir dann erst nach einer Stunde und 20 Minuten (immer noch sitzend) aufgewacht. 

 

Als wir nach unserem „Powernap“ um 7 Uhr wieder starteten, ging die Sonne gerade auf und der Sonnenaufgang war fantastisch. Normalerweise gibt ein neuer Tag mir neue Kraft. Aber ich war immer noch sehr müde und brauchte eine Weile, um wieder in den Lauf hinein zu finden. Die Müdigkeit war sogar noch stärker. Mittlerweile war ich bereits 23 Stunden auf den Beinen, 12 Stunden lang gelaufen und hatte nur eine Stunde und 20 Minuten geschlafen. 

Gerade als wir starteten, gesellten sich noch andere Läufer hinzu, die uns einige Runden oder sogar bis zum Schluss begleiteten. Auch das sorgte für Abwechslung und konnte ein bisschen motivieren. Es bestand aber auch die Gefahr, nicht mehr im eigenen Rhythmus zu laufen und „zu schnell“ zu laufen, im Hinblick auf die verbleibenden Stunden. Es gelang mir aber, eine gute Balance zwischen „mich mitziehen lassen“ und Kraft sparen zu finden, und unsere netten Begleiter passten sich natürlich auch unserem  Schneckentempo an. 

 

Irgendwann verlor ich mein Zeitgefühl. Die letzte Zeit, die ich bewusst wahrgenommen hatte, war morgens um 7 Uhr. Danach konnte ich mich nicht mehr erinnern, was zeitlich wann war. Es war ja auch nichts, außer dass wir immer nur weiter gelaufen oder gegangen sind. Wir hatten noch einmal eine Pause gemacht, um etwas zu essen. Mir ist es zu dem Zeitpunkt immer schwerer gefallen zu laufen und ich bin häufiger gegangen. Als wir dann fast 120 km hatten, war ich einfach nur noch müde und wollte mich hinlegen. Diesmal aber wirklich nur 10 Minuten! Und wir sind dann auch tatsächlich nur 10 Minuten im Sitzen kurz eingeschlafen. Claude schien wieder fit zu sein, aber ich hatte ein richtiges Tief. Ich empfand nur noch eine unendliche  Müdigkeit und wollte mich nicht mehr bewegen. Noch 2 Stunden.

 

Wie motiviert man sich in einem solchen Moment, dann doch wieder aufzustehen und sogar zu laufen?

 

Ich weiß auch nicht genau, was ich in diesem Moment dachte und was mich weiter antrieb. Ich schrieb einer Freundin, dass ich mich wirklich an einem Tiefpunkt befinde und wir schrieben eine Weile miteinander. Das lenkte mich in dem Moment ab und gab mir unheimlich viel Kraft. Dann dominierten die Emotionen und wechselten sich ab. Ich wollte weinen – vor Müdigkeit, vor Freude, dass es bald zu Ende sei, vor Stolz, dass ich immer noch auf den Beinen stehen konnte, weil mir meine Freunde fehlten, weil ich fast 130 km geschafft hatte. Und dann war ich einfach leer und trieb vorwärts. Angenehm leer und friedlich. Die Müdigkeit war jetzt auch irgendwie weg. Zumindest spürte ich sie nicht mehr als solche. Das Ende war greifbar, nur noch eine Stunde. Meine Füße schmerzten. Aber das war jetzt auch egal. Und dann fing es noch einmal an so richtig zu regnen. In dem Augenblick zog ich mir meine Kapuze über den Kopf und versuchte jede Form von Ärger und Frust zu unterdrücken. Mir wurde richtig kalt und ich empfand die Nässe als sehr unangenehm und schmerzhaft auf meinem ganzen Körper. Aber ich konzentrierte mich ein letztes Mal einfach nur auf meine Bewegung und blendete alles um mich herum aus. Bald würde es geschafft sein!

 

24 Stunden - 130 Kilometer: Ich hatte ein großes Lächeln auf meinem Gesicht. Es war ein tolles Gefühl!

Wir liefen gemeinsam mit Guy, der die ganzen 24 Stunden gegangen ist und 108km erzielte, sowie mit Claudes Bruder, der uns ebenfalls seit Stunden begleitete, ins Ziel ein. Claude und ich waren uns eins: Jetzt sollte erst einmal eine ganze Weile Schluss mit 24h Läufen sein. Mal sehen, wer von uns das nächste Mal wieder auf die Idee kommt, einen 24h Lauf zu organisieren. 

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