TransPeneda-Gerês (TPG)

Der TPG ist ein 83km langer Lauf mit ca. +4200HM im Norden Portugals, genauer im Nationalpark Peneda-Gerês. Organisiert wurde der Lauf im April 2019 vom Ultraläufer Carlos Sá. 2019 war dies die längste Distanz, seit 2020 gibt es auch eine 165km lange Distanz, welche ich hoffentlich nächstes Jahr laufen werde.

Verbunden war der TPG mit einer Reise mit dem Van durch Frankreich und Spanien bis nach Portugal: Luxemburg-Vichy-Auvergne-St.Emilion-San Sebastian-Burgos-Montalegre... das waren die geplanten Etappen. Das Wetter war eine Katasprophe! Die Wochen davor fiel in Portugal sehr viel Schnee und es war richtig kalt. Und auch berichteten mir einige Bekannte, deren Familien in Portugal leben, dass äußerst ungewöhnliche Wetterbedingungen herrschten. 

Mein Partner Mike und ich machten uns am 7. April bei Regen auf den Weg nach Vichy. Der Campingplatz hatte gerade erst geöffnet, so dass wir die ersten Gäste waren. Es war ziemlich windig und es gab auch noch kein warmes Wasser zum Duschen. Am nächsten Tag fuhren wir dann weiter durch die Auvergne, wo wir den Vulkan Puy de Dome hinauf kletterten. Die Aussicht auf die Vulkanlandschaften war wunderbar. Gleich habe ich mich im Internet erkundigt, ob es einen Ultralauf in der Auvergne gibt... und es gibt ihn: den Ultra Trail du Puy Mary Aurillac, 105km und +5500 HM. Der steht seitdem auf jeden Fall auf meiner Liste! :-)

Dann fuhren wir weiter über St. Emilion, St. Sebastian und Burgos nach Portugal. In St. Emilion hatten wir ein sehr hübsches Zimmer gemietet, tranken Wein und aßen in einem tollen Restaurant zu Abend. Wir blieben eine Nacht und fuhren dann nach San Sebastion auf einem Campingplatz. Da es überall so nass war und stark regnete, saßen wir nur im Van, in unsere Decken gewickelt. Die zweitletzte Etappe war in Burgos. Trotz des vielen Regens hat die Stadt mir sehr gut gefallen, besonders die Architektur. Und schließlich nahmen wir dann unsere letzte Etappe nach Montalegre in Angriff. Wie schon befürchtet, war es richtig kalt. Vor allem in der Wohnung, die wir mieteten. Die Besitzerin hatte uns schon gewarnt, dass es im Haus eiskalt sei. Wir wickelten uns in alle möglichen Decken von den Betten und aus dem Van, da es einige Tage dauerte, bis das Haus etwas geheizt war. Aber es wurde jeden Tag etwas wärmer und sonniger. 

Vor dem TPG haben wir dann noch die Gegend erkundet. Wir hatten uns eine Laufstrecke über Gpsies heruntergeladen, und der sind wir dann gefolgt... Allerdings hat die Person sich wohl öfters verlaufen und ist der Strecke, die mit einem X gekennzeichnet war teilweise gefolgt - X bedeutete nicht dorthin gehen... Und so sind wir durch einen privaten Garten gelaufen, wo wir von schnatternden Gänsen verfolgt wurden, wir mussten einen Fluss über Steine überqueren, wobei ich dann ins Wasser gefallen bin und ein älterer Herr, der sehr lange in Luxemburg gelebt hat und nach Portugal zurück gekehrt ist, mir beim Überqueren mit Brettern behilflich war. Das war schon etwas peinlich. Aber wir konnten an den zwei Tagen vor dem Lauf die kleinen Dörfer sowie die Natur erkunden, und so kannte ich auch schon bereits die ersten Kilometer der Strecke des TPG.

Am 13. April morgens um 7 ging es dann los. Ich hatte die Nacht davor keine Minute geschlafen, ich war total nervös (wie immer vor einem Lauf) und Mike begleitete mich zur Startlinie. Und ab ging's. Die Strecke war optimal mit orangefarbenen Flaggen beschildert, und gleich zu Beginn stellte ich fest, dass bei diesem Lauf die üblichen Wege nicht die Regel sind, und dass man immer wieder fragend an einer Stelle steht und denkt "hier kann es doch jetzt nicht sein, wo soll ich denn jetzt hier hoch?". Und genau dann ist man richtig. Ob quer den Rasen oder Hügel hoch, eine Staudamm-Mauer hinauf klettern oder sich an Bäumen hochziehen... alles dabei! Und zudem gut gekennzeichnet :-)

Da der Schnee der letzten Wochen geschmolzen war, war es stellenweise richtig nass und man musste durch das Wasser hindurch. Und so passierte mir dann nach ca. 20 Kilometer ein kleines Malheur, das ich mir bis heute nicht so recht erklären kann. Mein Schuh, der eigentlich wasserdicht ist und besonders für solche Ultratrail Läufe geeignet ist, quoll irgendwie von innen auf. Ich hatte dauernd das Gefühl, dass sich etwas im Schuh befindet, das gegen meinen Knochen drückte. Ich blieb immer wieder stehen, aber da war nichts. Ich versuchte es zu ignorieren und lief weiter. 


Als ich mich einige Kilometer vor der zweiten Verpflegungsstelle in Pitões das Júnias befand, war ich so überwältigt von dieser Aussicht, dass ich einfach stehen blieb und schaute. Die Gebirgsspitzen, die violetten Blumen, die Farbenvielfalt, die Steine... in meinen Augen einfach nur schön. Es passierte mir immer wieder auf der Strecke, dass ich einfach nur die Natur betrachtete. Das Terrain bereitete mir aber auch einige Schwierigkeiten, vor allem im Hinblick auf mein Schuhproblem, denn es schmerzte immer mehr, irgend etwas störte im Inneren des Schuhs. 


Es erwarteten mich noch so einige Überraschungen... neben einigen Hängen, die man sich an den Bäumen hochziehen musste und  riskierte wieder runter zu rutschen, war wohl die spektakulärste Überraschung die Staudamm-Mauer, der Barragem de Paradela bei ca. Kilometer 42. Die galt es hoch zu klettern. Am besten war es, nicht lange darüber nachzudenken, was man gerade da tut, nicht nach unten und nach hinten zu schauen, sondern sich einfach darauf konzentrieren, wo man die Laufstöcke ablegt und welches Bein man wohin bewegt, um da hoch zu gelangen anstatt runter zu fallen. Bei ca. Kilometer 50 fing es dann an immer mehr zu regnen, und mein Fuss schmerzte dann doch etwas mehr, aber immer noch im grünen Bereich. Es war immer noch nichts zu sehen, nichts geschwollen. Mittlerweile hatte ich mein zweites paar Socken an, damit der Druck auf den Knochen etwas nachließ. Bei Kilometer 60 befand sich dann die Lifestation, wo ich mich etwas erholte. Dann lief ich weiter, und ein Mann gesellte sich zu mir und zeigte auf seine Uhr. Er sprach nur portugiesisch und er war der so genannte "Besenwagen". Ich war etwas verwundert, da ich noch gut in der Zeit lag. Er lief aber die ganze Zeit neben mir und zeigte immer wieder auf die Uhr, was mich unheimlich verunsicherte und mehr und mehr frustrierte. Ich fühlte mich demotiviert und wie der letzte Loser, die Letzte auf der Strecke, und ich befürchtete, dass ich es wohl nicht schaffen würde. Ich lief überhaupt nicht mehr mein Tempo, nahm kein Essen zu mir und trank auch nichts. Und es regnete zunehmend. Und die Höhenmeter mehrten sich. Ich dachte sogar daran, aufzuhören, da dieser Typ mich einfach nur stresste. Aber ich redete mir ein, dass ich ja wohl nicht umsonst diese Staudamm-Mauer hochgeklettert bin! Ich lief einfach weiter und versuchte, ihn zu ignorieren. Auch liefen wir an Hauptattraktionen vorbei, aber mittlerweile hatte ich das Interesse verloren. Dann war es endlich soweit, ich erreichte die Verpflegungsstelle bei Kilometer 72. Dort stellte ich dann fest, dass sich noch mehrere Läufer auf der Strecke befanden und sich gerade an der VP bedienten. Dann eine riesige Überraschung: Einige Läufer sprachen französisch! Wie sich herausstellte waren es drei Läufer aus Belgien (die ich einige Monate später beim UTML in Luxemburg wiedersah), und sie boten mir an, zusammen weiter zu laufen. Ich freute mich natürlich riesig, endlich mit jemandem zu reden. Ich beschloss allerdings schon loszulaufen, denn ich wollte den "Besenwagen" loswerden. Es regnete immer heftiger und so langsam wurde es dunkel. Wir mussten viele weitere Hänge hoch, uns teilweise an Seilen hochziehen, über Steine und Bäche. Ich sah aber zunehmend schlechter, und so musste ich plötzlich feststellen, dass meine Kopflampe kaputt war. Was nun? Hinter mir waren immer noch die Läufer aus Belgien und einer aus den Niederlanden... und der "Besenwagen". Ich musste wohl mit der Taschenlampe meines Handys klarkommen. An der letzten Verpflegungsstelle sagte ich dann Bescheid, dass meine Lampe kaputt war und ein Mann meinte, es ginge jetzt nur noch geradeaus und zeigte mir die Richtung. Geradeaus war gut gemeint, es ging ziemlich steil nach unten! Als ich an eine Straße gelang, bog ich dann nach links ab und lief weiter. Aber wie bereits gesagt, normale Wege und Straßen waren nicht üblich für den TPG! Ich bekam ein mulmiges Gefühl und versuchte Mike noch zu schreiben, dass ich mich vermutlich verlaufen habe. Das war die letzte Nachricht, die durchging, denn danach hatte ich kein Netz mehr bis ins Ziel. Zum Glück piepste meine Uhr und zeigte eine Wegabweichung an. Mich durchfuhr ein Gefühl von Schrecken und ich rannte so schnell ich konnte wieder hoch. Und zum Glück kamen die übrigen Läufer gerade an der Kreuzung an, wo ich falsch abgebogen bin. Sie halfen mir mit dem Licht und beleuchteten die Strecke und führten mich nach unten wie in der Formel 1... Attention, à gauche, à droite, une pierre... Dann waren es nur noch ein paar hundert Meter bis ins Ziel. Dort angekommen war ich alles andere als glücklich oder stolz. Ich fühlte mich furchtbar, war total frustriert, weil mir all diese Pannen passiert sind und ich konnte mich einfach nicht freuen. Ich empfand das Überqueren der Finishline nicht als Erfolg, sondern betrachtete den Lauf als ein Scheitern. Mein Fuss war nun doch sehr schmerzhaft und geschwollen, aber es war zum Glück nichts ernstes und nach einer Woche waren die Schmerzen weg.


Es dauerte noch eine ganze Weile, bis mir bewusst wurde, dass ich diesen tollen, für mich schwierigen und anspruchsvollen Lauf gefinisht habe. Und ich blicke immer noch mit ganz gemischten Gefühlen auf den TPG zurück. Es ist vergleichbar mit einer sehr intensiven und zugleich schmerzhaften Liebesgeschichte. Glück und Schmerz zugleich - so hat auch die Natur und die gesamte Landschaft auf mich gewirkt, wunderschön und melancholisch, nachdenklich, tiefgründig. Der Peneda-Gerês hat mich auf jeden Fall tief im Inneren erwischt.